MA'ALOT
Ein Environment von Dani Karavan
 

Eine Führung zum Gesamtkunstwerk von Dani Karavan, von Doris Hermann 2014


Meine Damen und Herren,


ich freue mich, Sie zu meiner Führung über das Gesamtkunstwerk Ma´alot von Dani Karavan begrüßen zu dürfen. Leider haben wir heute nur einen eingeschränkten Blick auf das zu betrachtende Kunstwerk, da seit Oktober ein Teil des Kunstwerks auf dem  Heinrich Böll-Platz renoviert wird und deshalb weitere als vorhergesehene Absperrungen vorgenommen wurden.


So müssen wir uns eben mit dem Vorhandenen zufrieden geben. Immerhin dürfen wir uns freuen, dass im Frühjahr ein sanierter  Platz zu sehen ist, wenn auch der musikalische Genuss in der unter dem Platz liegenden Philharmonie leider auch weiterhin beeinträchtigt ist und auch in absehbarer Zukunft das Problem nicht behoben sein wird.


Nun, nichtsdestotrotz begeben wir uns an den Beginn des Kunstwerks an dieser Stelle.


Das, was wir uns heute ansehen wollen, beginnt hier mit einer in den Boden eingelassenen Eisenplatte, zur Zeit wegen der Bauarbeiten um den Ostchor des Domes herum entfernt und nicht zu sehen, also aus dieser  Eisenplatte ausgehenden Granitplatten, die mittig durch eine Eisenbahnschiene geteilt sind. Diese Eisenschiene läuft auf einen Turm zu, nach rechts öffnet sich ein Platz, von dem ein langer  Treppenabgang hinunter bis fast an den Rhein führt.


Es handelt sich um ein Außenkunstwerk im öffentlichen Raum, Karavan bezeichnet es als Gesamtkunstwerk aus Granit und Ziegelsteinen, Eisen, Schienen, Gras und Bäumen.  Es bezieht den gesamten Raum des Heinrich-Böll-Platzes mit ein. Auch die Fugen und Pflanzen und das Gras zwischen den Klinkersteinen gehören zu dieser Einheit.


Es ist zwar ein Kunstwerk im öffentlichen Raum, gehört zum Museum Ludwig, in dem es inventarisiert ist, unterliegt aber der Obhut des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik. Wie wir auf unserem Weg durch das Gelände des Kunstwerks feststellen werden, erstreckt es sich über eine große Fläche von ca. 2500 Quadratmetern, die sich unmittelbar an das Gebäude des Museums anschließt. Die Gestaltung dieser Fläche wurde gemeinsam mit der Erbauung des Museums vorgenommen.


Ich weiß nicht , ob es den meisten von Ihnen bekannt ist:
1975 waren die Architekten Peter Busmann und Gotfrid Haberer als Sieger aus dem Wettbewerb für den Museumsneubau hervorgegangen. Sie hatten sich für einen gestaffelten Bau entschieden, der sich zusammensetzt aus dem Verwaltungstrakt, kombiniert mit Galerie-Räumen, dann dem Treppenhaus mit Foyer, Eingangshalle, Cafeteria, Museumsbibliothek und Kino, Buchhandlung, und nicht zu vergessen dem Konzertsaal, der Philharmonie, unter dem Platz vor der Cafeteria. Dies befindet sich alles unter einem Dach.


Nur die Restaurierwerkstatt befindet sich separat und bildet mit dem Museum eine Gasse, die zwischen Dom und Rhein eine Sichtschiene entstehen ließ.


Im März 1979 lädt Karl Ruhrberg, der damalige Direktor des  Doppelmuseums WRM und Ludwig, Karavan zur Zusammenarbeit ein. Er sollte die Gestaltung des Museumsplatzes übernehmen. Das war  zu Beginn des Neubaus des Wallraf-Richartz-Museums und des Museums Ludwig.
Die räumlichen Begrenzungen des Museumsplatzes erstreckten sich in nord-südlicher Richtung vom Bahnhof zum Museumsgebäude sowie zwischen dem Domchor und dem Rheingarten in west-östlicher Richtung. Karavan orientierte sich, wie es ihm eigen war, bewusst in formaler und in materieller Hinsicht an der umgebenden topographischen wie räumlichen Situation. Auch der Geist und die Geschichte des Ortes, des Umfeldes sind für ihn von großer Bedeutung. Die künstlerische Gestaltung des Museumsplatzes hatte sich einzupassen sowohl der ihn umgebenden Architektur  als auch den Materialien der Umgebung: einmal die roten Backsteine in und rundum das Museumsgebäude, die Stahlkonstruktion des Bahnhofs und der Hohenzollernbrücke, die Eisenbahnschienen, und die Granitplatten vor dem Römisch-germanischen Museum und auf dem Roncalli-Platz.


Karavan stand vor der Schwierigkeit, eine Verbindung zu schaffen zwischen Rheinterrasse, Heinrich-Böll-Platz und Gasse zum Domchor.


Das ganze Areal war relativ offen und unstrukturiert. Heterogen waren die Materialien der Umgebung: Ziegelstein, Granit-Platten, Eisenbahnschienen,  gotische Elemente auf der Seite des RGM, Bahnhofshallenkonstruktion, und Bögen der Brücke.


Er stand vor einer großen Aufgabe:


- die Fassung des Areals
- die plastische Gliederung und Akzentuierung
- Verwebung mit dem oder einem Landschaftselement


Was ist nun daraus geworden?


Sehen wir mal von den Bauarbeiten und Bretterzäunen ab.


Zwischen dem Museum und der Restaurierwerkstatt sehen wir eine ca. 118,50 m lange Passage, die durch einen 2,70 m breiten Streifen aus hellen Granitplatten einem Teppich ähnelnd betont wird, diese sind wiederum in der Mitte durch eine Achse aus 6 aneinander gelegten Eisenbahnschienen geteilt.


Am östlichen Ende, nämlich genau hier, wo wir stehen, beginnt  die Schiene, von einer quadratischen (2,70 x 2,70 m) Gusseisenplatte ausgehend. Sie ist eingefügt in die Ziegelstein-Pflasterung, die auch den ganzen Platz belegt.  und endet in einer vertikalen Skulptur, einem durchbrochenen Turm: dieser besteht aus steil abgestuften Elementen, aus sechs Blöcken, wobei sich grauer Granit und schwarzes Gusseisen abwechseln.


Der Turm ist 10,80 m hoch, jeder Block hat eine Höhe von 1,80 m, was Menschenmaß entspricht. Alle Maße haben Bezug aufeinander. Die Abmessungen der gesamten Gestaltung des Platzes hat Karavan genau geplant, ausgehend von einer Modullänge, die den Linien der Gebäudefassade entnommen ist. Sie beträgt 90 cm und alle Abmessungen sind ein mehrfaches oder ein Teil von 90 cm. Indem er für die Blöcke seines Stufenturms die Höhe von 1,80 m wählt, fügt er sich in das Maßsystem des Museumsgebäudes ein, das aus deutlich gegeneinander abgetreppten, rechteckigen Baukörpern besteht, die mit parallel ausgerichteten Zinkblechen abgedeckt sind. Sämtliche von Karavan verwendeten Maße lassen sich auf die Zahl 9, umgekehrt zu lesen, auf die 6 zurückführen, sei es auch durch Bruchteile und Vielfache von 9.


Auch auf der hier normalerweise zu sehenden Eisenplatte finden Sie  einige Zahlen, die sich auf dieses Maß beziehen: 6, 3, 45, 90, 108,50 usw.


Alles bewegt sich in Richtung Turm


Die Zahl 6 ist also der Schlüssel zur Zahlensymbolik in diesem Werk. Immer wieder taucht sie auf. Die Grünflächen an der Nordseite wurden mit 6 Ahornbäumen, an der Südseite mit 9 Akazien bepflanzt, der Turm besteht aus 6 Elementen,  aus 6 Stufen, Auch die Abmessungen des Turmes richten sich nach diesen Zahlen. Die Tiefe des Turms an seinem Fuße misst 2,70 m und verjüngt sich mit jedem Block um 45 cm. Der oberste Block hat nur noch eine Tiefe von 45 cm.


Die Zurückführung  der Maße auf ein einheitliches Modul schafft harmonisch ausgewogene Proportionen für Platz und Gebäude.


Schauen wir der Schiene entlang zur Skulptur, so öffnet sich mittig im unteren Abschnitt ein Schlitz, weiter oben sehen wir weitere Öffnungen. Der Turm ähnelt einem Wachturm. Von der anderen Seite bieten sich durch diese Öffnungen schöne Durchblicke auf den Dom.


Eisenbahnschienen, die übrigens auch in anderen Installationen von Karavan vorkommen, die Zahl 6 und der Wachturm haben bei vielen Besuchern des Ortes dazu geführt, dass man dieses Gesamtkunstwerk als Holocaust-Denkmal deutet. 1941 gingen von hier aus mit Zügen die Deportation Kölner Juden in die Vernichtungslager von Auschwitz.


Pierre Restany, ein Freund und Biograph Karavans schreibt und interpretiert: „an 6 Tagen der Woche soll der Mensch arbeiten und schöpferisch tätig sein, 6 Millionen Juden waren es, die dem Holocaust zum Opfer fielen.“ Dies Möglichkeiten der Interpretation.  Es mag sein, dass Karavan die nach Osten verlaufende Schiene und deren Verlängerung über die Hohenzollernbrücke als Hinweis für den Transport der Juden so gedeutet hat.


Karavan selber betonte bei einer Feier des 25-jährigen Jubiläums von Ma‘alot, dass die Interpretation von ihm nicht intendiert ist, es sei jedem freigestellt, wie das Kunstwerk zu betrachten ist. Er möchte dazu inspirieren sich mit dem Gedanken von Gegenwart und Vergangenheit zu beschäftigen, ohne Vorgabe von Interpretationen.


Karavan lässt uns frei im Denken, jedem ist es selbst überlassen, wie er die Bezüge setzt.


Ein anderer Weg zum Stufenturm führt vom Rheingarten hinauf, diesen Weg wollen wir gleich hinab gehen zu einem flachen Becken. Zwischen Rasenziegeln mit Lavendelpflanzen, deren wunderbarer Duft uns in heißen Sommertagen begleitet. Lavendel ist ein Bestandteil des Kunstwerks, er wird mittlerweile von der Stadt Köln gepflegt.


Kommen wir nun endlich zum Namen des Platzes: Ma´alot


Karavan bezeichnet seine Platzgestaltung mit dem hebräischen Begriff Ma´alot, Stufe, Abstufung, der sich auf die Stufengesänge Davids der Psalme 122-133 aus dem alten Testament bezieht. Einst wurden sie zu Israels großen Pilgerfesten auf dem Weg nach Jerusalem und vermutlich auch auf den Stufen des Tempels gesungen. Inhaltlich spricht Karavan damit auf die Stufenskulptur, auf die Treppenstufen  und auch auf das Musikalische, den Konzertsaal unter dem Platz an. In Jerusalem werden diese Psalmen traditionell gesungen, wenn die Priester mit den Wasserkrügen von der Quelle her die Stufen zum Tempel hinaufsteigen.


Die Quelle sei hier das kleine Rinnsal am unteren Ende der Stufen, am Ende der Schiene. In Köln könnten es die Stufen vom Rhein hinauf sein.


Die Psalmen 122 bis 133 bilden den Zyklus der Stufen- oder Wallfahrtslieder, in hebräisch heißen sie „Shirei ha Ma´alot“. Jedes Stufenlied beginnt mit den Worten „Shir ha ma´alot“ (Lied der Stufen). Es folgen Hinweise auf den Anlass des Psalms oder den Charakter der Musik, ob es etwa ein Klage- oder ein Loblied ist, wie z.B. Psalm 122: „Gebet für Jerusalem“


Ich lese den Text des Liedes:


Ein Wallfahrtslied von David: Ich freue mich an denen, die zu mir sagen: Lasst uns zum Haus des HERRN gehen. Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem!


Jerusalem, Du bist gebaut wie eine fest gefügte Stadt.


Wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme des HERRN – ein Zeugnis für Israel – um zu preisen den Namen des HERRN!


Denn dort sind Throne zum Gericht aufgestellt, die Throne des Hauses David. Bittet für den Frieden Jerusalems! Es soll denen wohl gehen, die Dich lieben!


Friede sei in Deinen Mauern und sichere Ruhe in Deinen Palästen!


Um meiner Brüder und Freunde willen sage ich: Friede sei in Dir.


Es ist ein schönes Bild, das uns Karavan mitgibt auf seinem vorgezeichneten Weg, ob zum Turm, oder zum Dom.


Inwieweit der Inhalt der Stufengesänge mit dem Konzept der Platzarchitektur in Verbindung steht, inhaltliche Bezüge hat, lässt Karavan offen. In anderen Außenskulpturen  fügt Karavan oft Texte hinzu. Hier darf der Besucher selbst darüber nachdenken.


Karavan hatte ursprünglich Heinrich Böll nach einem geeigneten Text fragen wollen, leider ist es nicht zu einem Zusammentreffen gekommen, da Heinrich Böll darüber starb. Der Platz ist später Heinrich-Böll-Platz benannt worden.


Alles geht hinab zum Rhein


Dani Karavan ging es bei seinen Arbeiten selten um kleinere Skulpturen für den Innenraum, sondern vor allem um die skulpturale Gestaltung im Außenraum mit Bezug zur Topographie und zur Natur. Seine architektonisch skulpturalen Environments sind von Menschen begehbar und räumlich erfahrbar. Mit zeitlicher Verzögerung merkt der Betrachter erst, dass er sich bereits im gestalteten Areal befindet. Karavan möchte, dass der Besucher, Begeher den Ort bzw. seine Beziehung dazu selbst findet.


Anders ist es bei Karavans Monumenten und Gedenkstätten, bei denen es um ein Gedenken, eine Erinnerung, um die Mitteilung eines politischen oder menschlichen Anliegens geht.


Nun etwas zum Leben des Künstlers


Karavan ist  1930 in Tel Aviv geboren. Er bezeichnet sich selber mal in einem Interview als Nomade: er arbeitet in Frankreich, Israel, Italien Deutschland, Japan, Korea.


Seine Familie stammt ursprünglich aus Spanien. Von dort wurde sie vertrieben nach Tunesien, nach Kairouan. Dort nahm sie den Namen Karavan an, nach Kairouan, der Stadt, wo die Muslime mit ihren Kamelkarawanen Rast machten. Die Karavans verlassen Nordafrika und lassen sich in der Türkei nieder, später zogen sie in den Kaukasus, dann nach Russland und der Ukraine. 1920 verließ Dani Karavans Vater Galizien und ließ sich mit seiner Familie in Palästina nieder, das damals noch unter Englischer Herrschaft stand.


Dani Karavan befasste  sich zuerst mit Malerei, ging dann 1956 nach Florenz und studierte Fresko-Malerei, die Maler der Renaissance faszinierten ihn, Michelangelo,  Piero de la Francesca. Ein Jahr später wieder in Tel Aviv weiß er, dass er als Bildhauer arbeiten möchte. Sein erster Auftrag für eine künstlerische Arbeit im öffentlichen Raum ist ein mehrteiliges Wandrelief im Lichthof des Finanzministeriums in Tel Aviv. Es folgen andere Wandreliefs, auch Bühnengestaltungen, die Tänzerin Martha Graham möchte auf einer von ihm gestalteten Bühne tanzen. Später  war Karavan bei der Gründung der Bat Sheva Dance Company als künstlerischer Berater gefragt.


Karavan begann zu verstehen, dass es eine Verbindung gibt zwischen Malerei, Relief, Bildhauerei, Stadt, Gebäude, Materialien. Diese Bezüge sind ganz wichtig in all seinen Werken: der Dialog der Materialien, Relief und Gebäude, Gebäude und Platz, Landschaft und Gebäude. Die großen italienischen Plätze, ob in Siena oder Florenz sind Vorbilder für seine Platzgestaltungen, so auch hier für Köln.


Karavans Vater war Landschaftsgärtner in Tel Aviv und vermittelte seinem Sohn die Liebe zur Natur, zu den Bäumen, er hat durch ihn die Kostbarkeit eines einzelnen Baumes schätzen gelernt, Bäume spielen in seinen Werken eine wichtige Rolle.


Die Anbindung des tiefsten Punktes von Maálot an die Grünanlage des Rheingartens schuf dann später Paolozzi mit seinem Brunnen, eine gelungene spielerische Anlage zwischen Bronze Plastiken und flachem Wasser, das Kinder zum Spielen und Plantschen auffordert.


Eduardo Paolozzi, geb. 1924 Edinburgh Schottland,
Rheingarten-Skulptur 1986, Bronze, Steinquader, Pflastersteine, Wasser


Formenkanon aus einfachen, technisch anmutenden Elementen. Kinder entdecken sie und gehen spielerisch damit um, man entdeckt ornamental behauene Quader, die von der alten Kölner Eisenbahnbrücke her stammen.


Es ist eine reliefartige Erlebnislandschaft entstanden. Von der Bischofsgartenstr. her, die ungefähr den Verlauf der römisch antiken Hafenstraße aufgreift, führen die alten Brückenquader direkt in die Wasserzone der Skulptur. Paolozzi sagt zu seine Skulptur:“ Das Ganze könnte man ein zerfallenes Auto nennen und durch seine Anpassung an die Natur könnte es das Motiv dieses Rheingartens werden.


Aber kehren wir zurück zu Karavan und schauen wir hinauf zu den Treppenstufen, die wir jetzt wieder nach oben gehen wollen.


Oben angekommen wie auf einem Hügel liegt vor uns der Platz vor der Cafeteria des Museums. Die kreisrunde und in 8 Segmentfelder gegliederte Plattform, die sich zum Museum hin neigt, wird aufgefangen durch eine elliptische Form, die die leichte Schräglage des Platzes mit einer Sitzstufe aus Granit ausgleicht. Die Plattform ist wieder mit abwechselnd aus Gusseisen und Granit eingebetteten konzentrischen Ringen gestaltet, je 1 m breit, von außen beginnend mit Granit , Gesamtdurchmesser 11 m. Die äußeren 5 Ringe sind durch eingelegte Stücke aus 5 m langen Eisenbahnschienen in 8 Sektoren unterteilt. Sie sind nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Eine nach Osten gerichtete Schiene führt die Treppen zum Rheingarten hinab, und endet dort, wie wir unten sahen, in einer runden gepflasterten Schale, dem Endpunkt des Projektes.


Hier oben befinden wir uns oberhalb  der Arena  des sich darunter  befindlichen Konzertsaales . Die formal strenge Aufzeichnung der Bänder aus den verschiedenen Materialien wirken als graphisches Element, wie eine Zeichnung, wie ein Grundriss, in dem alle Raumabschnitte gefasst sind. Die Verwendung von Grün im Treppenaufgang und die  Bäume auf einem dafür vorgesehenen Areal vor der Restaurierwerkstatt und die korrespondierenden Bäume gegenüber sind  als Elemente der Landart in die Platzumrandung integriert und bilden den Anschluss an den Rheingarten. Die Akzente auf der Hauptfläche des Museumsplatzes sind von klarer geometrischer Form, durch Bodenlinien miteinander verbunden und in ihrer Höhenentwicklung und Größenordnung aufeinander abgestimmt, mit dem Stufenturm als Zentrum.  Die Strenge der Platzgestaltung erinnert ein wenig an italienische Plätze etwa in Siena. Er hat die Plätze gekannt und sicher als Vorbilder vor Augen gehabt.


Karavan wollte hier einen Ort der Ruhe schaffen, der Besucher sollte Entspannung und Ruhe finden an diesem Platz.


Es geht ihm einerseits um die Harmonie und zugleich um die Gegensätze der Materialien. Die verschiedenartige Schwere und Dichte machen Eisen und Granit zu ausdrucksvollen Gestaltungselementen.


Karavan weiß auch um die Geschichte dieses Ortes. Dieser Domhügel hat schon immer bestanden. Unmittelbar am Domchor hat im Mittelalter die Kirche Maria ad Gradus gestanden. Wenn Gäste von auswärts nach Köln kamen, dann stiegen sie am Rheinufer vor dem Chor des Kölner Domes ab und gingen die Treppen hinauf und wurden dort empfangen. Auch Karavan führt uns auf den Domhügel, zu Ma álot, dem Stufenturm und in Verlängerung entlang der Eisenbahnschiene hin zum Dom. Fällt der Blick durch die Öffnungen, oder entlang der Schienen zum Dom oder gen Osten, zu den Domspitzen durch den Schlitz des Stufenturms, so sind es besondere Augenblicke.


Weglassen


Gleichzeitig mit der Kölner Platzgestaltung beginnt Karavan in Paris „die Hauptachse von Cergy-Pontoise“ Axe Majeure, ein äußerst umfangreicher Auftrag, der erst vor kurzem vollendet wurde. Es handelt sich um die Gestaltung der Hauptachse Cergy Pontoise, einer neuen Trabantenstadt bei Paris. Auf einer Länge von 3 km sind 12 markante Punkte oder Passagen zusehen, die der kulturellen  Identifikation von Cergy-Pontoise dienen. Auf der Achse befinden sich die verschiedensten  Elemente: ein Turm, ein Laserstrahl, ein Obstgarten, Bodenplatten aus dem Louvre, Hanggärten, ein Amphitheater, eine Gruppe von 12 Säulen, usw. Die Höhe des Turms beträgt 36 m, die Seitenlänge 3,6 m.


Auch hier finden wir wieder die Zahlensymbolik, 36 Gerechte garantieren die Weisheit der Gesellschaft.


1963-1968 schuf er das Negev Monument, ein Environment aus Beton, Wüstenakazien, Windorgeln, Sonnenlinien und Wasser in Beer Sheba in Israel, um ein Denkmal für die Soldaten der Palmach-Brigade zu errichten, die 1947 die ägyptische Offensive im Negev aufhielten, wobei auch einige Soldaten gefallen waren. Dieses Monument gleicht einem Dorf aus Betonskulpturen von
einem 20 m hohen Turm umgeben. Ein Monument der Faszination, ein magischer Ort, ein Ort israelischer Identität. Ein politischer Ort.


Um politische Anliegen geht es auch bei seinen Werken wie „Weg der Menschenrechte“, einer Environment-Skulptur in Nürnberg, Environment für den Frieden in Florenz und im Prato, ein Mahnmal für Sinti und Roma in Berlin ,erst vor 1 Jahr zu Ende gebracht.


Ein wichtiges Denkmal für den israelischen Kunsthistoriker und Philosophen Walter Benjamin, das Ihnen sicher bekannt ist, schuf Karavan in Port Bou: es nennt sich „Passagen“.


Benjamin geht 1933 nach Paris ins Exil. 1940 verlässt er Paris um nach Spanien zu fliehen. Sein Versuch über die Pyrenäen zu entkommen, scheitert, um nicht den Nazi-Behörden ausgeliefert zu werden, nimmt er sich in Port Bou 1940 das Leben: er stürzt sich von der Felsenküste ins Meer.


Auf Anregung Friedrich von Weizsäckers wird 1992 Karavan mit einem Denkmal beauftragt. Die Kosten von 980 000 DM wurden in der Presse aufs schärfste kritisiert, da das Auswärtige Amt sie tragen sollte. 1993 übernahmen dann die Bundesländer, die Region in Katalonien und Privatspender die Kosten und 1994 konnte so  Karavans  Denkmal eingeweiht werden.


Es besteht aus mehreren in der Landschaft verteilten aus rostigem Stahl gefertigten Elementen. Ein Korridor führt hinab zur Bucht, wo er mit einer Glasplatte verschlossen ist. Auf ihr liest man, gegen das blaue Wasser sichtbar: „Schwerer ist es das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht.“ (Walter Benjamin)


Auch hier spielen Worte eine Rolle.


Ende des Weglassens


So sind wir am Ende unserer Führung angekommen, ein Gesamtkunstwerk haben wir durchschritten, ein Werk, in dem verschiedene Künste vereint sind:


Architektur im Stufenturm und Stufenabgang, Skulptur, Platzgestaltung, Musik angedeutet  durch die Psalmengesänge und die Aufzeichnung des Konzertsaals mittels Granit und Eisen.


Karavan betrachtet seine Werke wie seine Kinder, so sagte er einmal in einem Interview ‚Wer kümmert sich um die Skulptur nach ihrer Fertigung?‘


Überall nagt der Verfall, Erosion, Schmierereien sind zu sehen, wie hier die zerbrochenen Ziegelsteine , der verrostete Granit am Stufenturm.


Heute und an vielen weiteren Tagen werden wir Opfer der Erneuerung werden, es soll zum Wohle des Kunstwerks sein.


Die Orte entwickeln sich zu Plätzen der Aggression, zu einem Ort der Antikunst. Maálot ist verdreckt, der Hauptweg dorthin hatte Risse und war mit Teer geflickt. Inzwischen sind die vereinbarten Sanierungsarbeiten angelaufen.


Während der Proben und zu Zeiten von Konzerten ist der Platz  gesperrt, kann also nicht in seiner geplanten Wirkung wahrgenommen werden.


Karavan tritt dafür ein, so äußerte er sich kürzlich in einem Interview, dass die Kunst im Öffentlichen Raum geschützt wird, dass alle 5 Jahre per Gesetz die Kunst überarbeitet wird. Er möchte mit der UNESCO ein großes Symposium durchführen, wo man dieses Thema diskutiert: Wer ist für das Kunstwerk nach der Einweihung verantwortlich?


Es gilt das gesprochene Wort.


Axonometrie: Dani Karavan
Zeichnung Peter Busmann
Zeichnung Peter Busmann
 
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