Skizze von Dani Karavan
Ein sehr schöner virtueller Rundgang (mit Hintergrundinformationen) befindet sich auf der Seite:
https://www.kulturraum.nrw/ausstellung/dani-karavan-maalot-skulpturen-in-koeln-rundgang.html
(mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Jens von Fintel)
Kölns schönstes Außenkunstwerk
Viele Kölner und insbesondere Besucher unserer Stadt gehen täglich über den Heinrich-Böll-Platz und fragen sich was Heinrich Böll mit dieser Platzgestaltung zu tun hat. Dass es sich dabei um Ma´alot, ein Gesamtkunstwerk des weltweit bekannten israelischen Künstlers Dani Karavan handelt, der für seine großformatigen und begehbaren Freiluftkunstwerke weltberühmt ist, erschließt sich den tausenden von Passanten, die täglich diesen eigentlich wunderbar gestalteten, aber großflächig sanierungs-bedürftigen Platz vor dem Museum Ludwig queren, nicht. Dem Großteil der Kölner Bürgerschaft ist dieses Gesamtkunstwerk nur aus der Sicht baulicher Mängel bekannt: Wenn in der Philharmonie ein Konzert stattfindet oder geprobt wird, darf der Platz nicht betreten werden und wird stets von einem großen Aufgebot von Sicherheitsleuten gesichert, da man den Platz querende Skater, Inliner, Rollkoffer sowie Liefer- und Reinigungsfahrzeuge u.a.m. im darunter liegenden Konzertsaal der Philharmonie hören würde.
Das Areal östlich des Doms
1975 erhielten die Architekten Busmann + Haberer den Auftrag südöstlich des Domchores zum Bau eines Kulturbaues, der Philharmonie und Museum beherbergen und zugleich das Zentrum Kölns wieder vom Rhein her erschließen sollte. Der Künstler Dani Karavan wurde allerdings erst fünf Jahre später mit der Gestaltung des Museumsplatzes beauftragt, der zugleich das Dach des darunter liegenden Konzertsaals der Philharmonie bildet. Im August 1986 wurde der Platz fertig gestellt. Karavan bezeichnet sein Kunstwerk “Ma’alot” als “Environment aus Granit, Gusseisen, Ziegelsteinen, Eisen und Schienen, Gras und Bäumen”. Ein Werk, welches in enger Zusammenarbeit mit den Architekten Busmann und Haberer und dem Landschaftsarchitekten Luz wesentlich geprägt wurde. Wie selbstverständlich verbindet Karavan die gegensätzlichsten Materialien und zeigt dadurch die Extreme, zwischen denen jüdisches Leben in Deutschland stattfand, zwischen Bäumen und Schienen.
Eisen, Granit, Backstein und Bäume
Die Materialien des rund 5.000 m² großen Kunstwerks nehmen Bezug auf die baulichen Elemente der Umgebung: Granit aus Sardinien greift die Pflasterung des Roncalliplatzes auf, Gusseisen und Eisenbahnschienen deuten auf Hauptbahnhof und Hohenzollernbrücke, roter Backstein korrespondiert mit dem Baustoff des Kulturzentrums, Grünflächen verweisen auf den Rheingarten am Fuß der Treppenanlage. Pläne, auch Wasser als Element der Gestaltung einzusetzen und so den Rhein über eine Flusslinie die Terrassen hinab symbolisch auf den Platz zu holen, mussten aus Budgetgründen fallen gelassen werden.
Die Formgebung der Anlage greift den Rhythmus der Gebäudemodule mit ihren Stufungen von 90 cm Höhe auf und verdichtet ihn in klaren geometrischen Formen und Linienführungen aus 45° und 90° Winkeln. Die Stufenelemente in der Platzgestaltung stellen zudem nicht nur einen Bezug zur heutigen Treppenanlage oberhalb des Rheingartens her, sondern beleben auch eine historische Dimension des Ortes. Der Königsweg ins mittelalterliche Köln führte an dieser Stelle vom Rhein über Treppen hinauf auf den Domhügel, zunächst hin zur romanischen Stiftskirche St. Maria ad gradus („Maria zu den Stufen“), dann weiter in den Dom. Mariagraden wurde unter französischer Besetzung säkularisiert, als Magazin genutzt und schließlich 1817 abgerissen.
Ma’alot ist hebräisch und bezieht sich auf die Psalmen 120 – 134, Wallfahrtslieder, die als “Stufen-lieder” bekannt sind und zum überwiegenden Teil den Königen David und Salomon zugeschrieben werden. In Jerusalem werden diese Psalmen traditionell gesungen, wenn die Priester mit den Wasser-krügen von der Quelle her die Stufen zum Tempel hinaufsteigen.
Die Kölner Stufen steigen vom Rhein aus an und präsentieren so den schönsten Anblick, den man in Köln auf den Dom haben kann, da sich die Architektur des Museums Ludwig mit seinem die Wellen des Rheins imitierenden Dach außergewöhnlich in das gesamte Bild einfügt.
Sechs Akazien und neun Ahornbäume gehören zum Kunstwerk. Beide Baumarten sind im Judentum von besonderer Bedeutung. König Salomon nutze Ahornholz zum Bau des Tempels und von Akazien heißt es in der Schrift von Jesaja, dass sie die Straße der aus dem Exil Heimkehrenden säumen werden. (Jes. 41, 19)
Elemente der Platzgestaltung
Markantestes Element der Platzgestaltung ist der 10,80 m hohe Turm an der nordöstlichen Ecke der Fläche. Über einer quadratischen Grundfläche von 2,70 x 2,70 m erheben sich sechs Stufen von je 1,80 m Höhe, abwechselnd aus Granit und Gusseisen: Eine von Osten und Westen über Treppenstufen begehbare Skulptur, Schlitze und Durchbrüche fokussieren den Blick auf Dom und Rheinbrücke und verschaffen dem massiven Konstrukt Transparenz. Ein 100 m langer „Granitteppich“ führt vom Eingang des Museums hinüber zu dieser Turmskulptur.
Vor der Glasfront des Museumsrestaurants markiert eine aus dem Boden wachsende Kreisstruktur – wiederum im Wechsel von sechs Granit- und Eisensegmenten gestaltet – das Podium des Konzertsaals unter dem Platz. Zwei weitere Ringe verlängern die Kreisbewegung hinaus auf die Platzfläche. Als „graphisches Element“ strukturieren zudem in den Boden eingelassene Eisenbahnschienen, parallel geführt und im 45° Winkeln gegeneinander gesetzt, die Fläche des Platzes.
Erinnerungen und Assoziationen
Immer wieder wurde und wird Ma’alot als Holocaust-Mahnmal interpretiert. Der Turm erinnert manche an einen Wachturm – andere dagegen an „archaische Stufen- oder Sonnenheiligtümer“ (Fußbroich) oder an „mittelalterliche toskanische Bauten“ (Brockhaus). Die Eisenbahnschienen wecken Assozi-ationen zur Logistik der nationalsozialistischen Völkermorde.
Dani Karavan selbst sagt dazu, das Kunstwerk habe „nicht die Aufgabe, eine bestimmte Geschichte zu erzählen oder bestimmte Zusammenhänge zu bebildern. Es kann nur Widerhall hervorrufen und Assoziationen beim Betrachter, beim Besucher, beim Passanten evozieren“. Aber, so Karavan weiter: „Wenn ich jetzt als Israeli, als in Israel geborener Jude, zwischen den fließenden Wassern des Rheins und der ruhenden Masse des Doms ein Kunstwerk hinterlasse als Teil eines neuen Kulturzentrums, kann ich es, selbst wenn ich wollte, nicht vermeiden, mit meinen Fingerspitzen durch die natürlichen Materialien hindurch zu tasten, und ich berühre Erinnerungen.“
Ein Platz für Heinrich Böll
Als der Kölner Ehrenbürger und Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll im Sommer 1985 verstarb, brach in der Kölner Bürgerschaft ein ebenso erbitterter wie skurriler Streit aus, welche Straße oder welcher Platz zukünftig zu Ehren des Dichters dessen Namen tragen sollte. Es soll eine Kölner Lokalzeitung gewesen sein, die schließlich den Vorschlag aufbrachte, den gerade entstehenden Platz vor dem neuen Kulturkomplex nach dem Schriftsteller zu benennen.
Die Gestaltung des Platzes hat mit Böll rein gar nichts zu tun. Karavan hatte vergeblich versucht mit Böll kurz vor dessen Tod Kontakt aufzunehmen, vielleicht hätte er Texte für den Platz beisteuern können. Der Stadtrat beschloss, dem Platz den Namen von Heinrich Böll zu geben. Obwohl Dani Karavans Werk weder zu Bölls Erinnerung noch für seinen Namen geschaffen wurde, bleibt zu hoffen, dass Böll gefragt – seine Zustimmung gegeben hätte, so Dani Karavan.
Heute dürfte der Namen des Platzes wohl niemanden ärgern, sehr wohl aber ein anderer Umstand. Mangelhafte, teilweise unzureichende Schalldämmung des Konzertsaals und nicht zugelassene Belastung des Platzes durch Lkws sorgen dafür, dass die Schallübertragung von Rollkoffern, Skateboards, u.a.m. den Konzertbetrieb empfindlich stören würden. Wachleute sorgen dafür, dass niemand zuwider handelt. Das ist das Schlimmste, was der beeindruckenden Arbeit von Karavan passieren konnte: Ein Platz, den man täglich zu vielen Stunden nicht betreten darf. Diese durch die Wachleute entstehenden Kosten belaufen sich jährlich auf knapp 200.000 €, insgesamt schon also schon seit über 15 Jahre ca. 3 Mio. €. Die Schätzkosten für eine Generalsanierung dürften bei ca. 6-8 Mio. € liegen.
Initiative BürgerInnen für Ma‘alot
Es war also nur eine Frage der Zeit bis sich kulturell engagierte Bürger große Sorgen um den Verfall der kompletten Installation des Außenkunstwerkes machten. Das führte zur Gründung der Initiative >BürgerInnen für Ma’alot< unter Leitung von Christiane Haerlin. Unstreitig ist, dass die beiden letzten Museumsleiter König und Kaiser das Außenkunstwerk vor ihrem Museum vorsichtig ausgedrückt, nicht favorisierten. Inzwischen hat das Werk eine Inventarnummer erhalten. Durch die Bemühungen der stellvertretenden Direktorin Katia Baudin ist ein Raum im Gespräch, in dem das Kunstwerk erläutert werden könnte. Bis dahin war es aber ein schwieriger und steiniger Weg. Die Initiative >BürgerInnen für Ma’alot< unternahm große Anstrengungen, erstellte tausende Flyer und informierte an zahllosen Wochenenden so viele Besucher aus aller Welt und ebenso erstaunte Kölner Bürger, die rein gar nichts über dieses Kunstwerk wussten, weil das Außenkunstwerk offiziell nicht beworben wurde. So duften bei den früheren Museumsleitern nicht einmal Flyer der Initiative >BürgerInnen für Ma’alot< an den Kassen ausgelegt werden. Viele Menschen bedauerten diese Entscheidung, die das ehrenamtliche Engagement der Bürgerinitiative überging und das Interesse der Bürger und vor allen Dingen der kulturell ausgerichteten Besucher unserer Stadt nicht achtete. Unabhängig davon wurden zahlreiche Aktionen wie abendliche Performances in der Stadt und auf dem Platz selber realisiert, um sowohl die Kölner Bürgerschaft insbesondere junge kulturell interessierte Kölner als auch in- und ausländische Besucher unserer Stadt durch Gespräche und Diskussionen über das Gesamtkunstwerk zu informieren. Die Initiative ist davon überzeugt, dass all dieser Aktionismus und der politische Druck zum Austausch und Erneuerung der Fläche von über 2.700 m² zwischen Hohenzollernbrücke bis hin zum Dom geführt hat. So wurden im Umfeld mehrfach zahlreiche Versuchsflächen angelegt. So konnte ein Architekturbüro in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Köln eine Sanierungslösung entwickeln, die dann umgesetzt wurde. Der vorhandene Unterbau unter den Klinkersteinen bleibt dabei im Wesentlichen erhalten, er wurde jedoch ausgebessert, neu profiliert und angepasst. Das vorhandene fünf Zentimeter starke Klinkerpflaster wurde gegen ein stabileres acht Zentimeter starkes Pflaster ausgetauscht. Erst der zweite Versuch der Ersatzpflasterung funktionierte. Außerdem wurden die Granitplatten aufgenommen und die defekten Platten durch neue ersetzt und verlegt. Die Kosten dieser Ersatzmaßnahme beliefen sich auf gut 1 Mio. €. Ganz besonders möchte sich die Initiative >BürgerInnen für Ma’alot< auch bei Herrn Klaus Neuenhöfer vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik für sein Engagement bedanken. Damit die Maßnahmen langfristig wirken, ist es unabdingbar, dass in Zukunft schwere Fahrzeuge wie der AWB und der Feuerwehr (außer in Notfällen) von der Gesamtfläche ferngehalten werden.
Zum Schluß
Wir, die Initiative >BürgerInnen für Ma’alot< haben viel erreicht. So haben wir Öffentlichkeit geschaffen, wir konnten Politik und Verwaltung von der Notwendigkeit der wiederherzustellenden Flächen überzeugen, wir haben erreicht, dass das Museum des Kunstwerk Ma‘alot wieder deutlicher unter seine Obhut nimmt, dass die Stadt und das Museum in entscheidenden Schritten den Kontakt zu Künstler und Architekten gesucht haben, dass die Lavendelbeete wieder bewässert und die Beete gepflegt werden und hoffen, dass die Sanierung der Restflächen im Bereich der Akazien ebenfalls sachgerecht erfolgt und u.a. dass unsere Homepage www.maalot25.de weiterhin mit hoher Frequenz genutzt und ausgebaut wird.
Mit dem Heinrich-Böll-Platz hat die Stadt Köln unstreitig einen der schönsten und künstlerisch eindruckvollsten Plätze zu bieten, den es nunmehr nach der Sanierung vielbegangener Wege auch zukunftssicher zu machen gilt.
Detlef Hagenbruch, ein Bürger für Ma‘alot
Quelle
Jens von Fintel, Kulturraum NRW (www.kulturraum.nrw) Dani Karavan – Ma’alot – Skulpturen in Köln – Ein Rundgang , Dank für die Überlassung weiter Teile seines Textes
Literatur
Christoph Brockhaus: Dani Karavan. Ma’alot. Museumsplatz Köln 1979-1986. Museen der Stadt Köln, 1986. S. 36 u. passim.
Helmut Fußbroich: Skulpturenführer Köln. Skulpturen im öffentlichen Raum nach 1900. Köln: J.P. Bachem, 2000. S. 137.
Marion Werner: Vom Adolf-Hitler-Platz zum Ebertplatz. Eine Kulturgeschichte der Kölner Straßennamen seit 1933. Köln u.a.: Böhlau, 2008. S. 2ff.